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Urteil: Urteil zur steuerlichen Absetzung der kompletten Ausbildungskosten

Finanzgericht Düsseldorf
10 K 3721/98 E

...wegen Einkommensteuer 1995 und 1996

hat der 10. Senat in der Besetzung:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
ehrenamtlicher Richter
ehrenamtlicher Richter

ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 17. Mai 2001 für Recht erkannt:

Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1995 vom 09.10.1997 und für 1996 vom 16.10.1997 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.04.1998 wird die Einkommensteuer für 1995 auf 21.723,00 DM und die Ein- kommensteuer für 1996 auf 37.169,00 DM festgesetzt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Kläger ihrerseits zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.


T a t b e s t a n d
Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie begehren, Aufwendungen der Klägerin, die diese im Zusammenhang mit einer Ausbildung zur Heilpraktikerin gehabt hat, bei der Einkommensteuer 1995 und 1996 als vorweggenommene Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin ist gelernte Bilanzbuchhalterin. Sie war bei der Firma W -GmbH Co KG beschäftigt und erzielte in 1995 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 145.150,00 DM. Ab 01.05.1996 war sie arbeitslos.

Ab Mai 1995 begann sie eine Heilpraktikerausbildung. Sie belegte dafür Kurse bei dem Europäischen Bildungsverband für Naturheilkunde in D. Im Februar 1998 legte sie die Heilpraktikerprüfung vor dem Gesundheitsamt in K ab. Seit dem 29.5.1998 betreibt sie in ihrem Wohnhaus in drei Räumen im Erdgeschoss eine Praxis für Naturheilverfahren In der Einkommensteuererklärung 1995 machte die Klägerin aus selbstständiger Arbeit als Heilpraktikerin negative Einkünfte in Höhe von 9804,00 DM geltend, die das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom 13.06.1996 anerkannte; der Bescheid erging "vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit, weil z. Z. die Einkunftserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann (Liebhaberei)". Auch der aus anderen - hier nicht streitigen - Gründen ergangene Änderungsbescheid vom 12.02.1997 erging insoweit vorläufig Mit Einkommensteueränderungsbescheid für 1995 vom 09.10.1997 versagte das Finanzamt die Anerkennung vorweggenommener Betriebsausgaben und berücksichtigte gern. § 10 Abs 1 Nr. 7 EStG Berufsausbildungskosten in Höhe von 1.200,00 DM.

In der Einkommensteuererklärung 1996 erklärte die Klägerin aus selbständiger Arbeil negative Einkünfte in Höhe von 17915,00 DM. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 16101997 lediglich Ausbildungs-, Weiterbildungskosten in Höhe von 2.400,00 DM. Der Bescheid erging vorläufig hinsichtlich der Ausbildungskosten, da abzuwarten bleibe, ob der angestrebte Beruf auch ausgeübt wird.

In ihrem gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, bei den Aufwendungen fur die Heilpraktikerausbilduno handele es sich um eine zusätzliche Ausbildung, die durch den Arbeitsmarkt und durch die Arbeitslosigkeit der Klägerin bedingt sei.

Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Entscheidung vom 24.04.1998 als unbegründet zurück, da es sich um Ausbildungskosten handele, die als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu behandeln seien. Ausbildungskosten dienten dem Ziel, die für einen zukünftigen Beruf notwendigen Kenntnisse zu erwerben. Sie könnten die Grundlage dafür bilden, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer andern überzuwechseln. Für diese Aufwendungen sei kennzeichnend, dass sie noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und mit hier aus fließenden Einnahmen im Zusammenhang stehen. Aufwendungen dieser Art erwüchsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen und gehörten daher zu den Kosten der Lebensführung. Die Klägerin habe die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Besuch der Heilpraktikerschule gemacht, um die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für den künftigen Beruf als Heilpraktikerin notwendig sind. Die Aufwendungen seien getätigt worden, um den Wechsel in eine andere Berufsart zu ermöglichen und bildeten daher Ausbildungskosten, so dass die Annahme von vorab entstandenen Betriebsausgaben ausscheide.
In ihrer dagegen erhobenen Klage machen die Kläger geltend, bei der Entscheidung der Klägerin für die Heilpraktikerausbildung habe es sich nicht um eine Entscheidung im Bereich der Lebensführung gehandelt, sondern sie habe sich eine neue Berufs- grundlage schaffen müssen.

Zur Vorgeschichte führte die Klägerin dazu in einem Erörterungstermin vor der Berichterstatterin am 01.03.2001 aus: Seit etwa 1990, nach dem Schlaganfall eines der bei den Prokuristen, habe sich der Zuschnitt der W-GmbH & Co KG verändert. Es seien fast nur noch junge Leute eingestellt worden. Ohne sie vorher zu informieren oder zu fragen, seien ihre Aufgaben auf andere, jüngere Mitarbeiter verteilt worden. Auf Grund dessen sei ihr klar geworden, dass sie bei ihrem hohen Gehalt nicht mehr lange bei dem Unternehmen beschäftigt sein würde.
Da ihre Rentenansprüche zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgereicht hätten, habe sie sich eine neue Beschäftigung suchen müssen. Sie habe daher seit etwa 1993 begonnen, sich nach einer gleichwärtigen Beschäftigung umzusehen. Sie habe aber nur Absagen erhalten. Die Klägerin reicht dazu Ablehnungsschreiben aus der Zeit von 1994 bis 1997 zu den Steuerakten, die nicht vollständig seien und auch nur einen Teil des Zeitraums beträfen Im Jahr 1995 sei der gesamte Buchhaltungsteil des handels auf ein Steuerberatungsbüro übertragen worden, zu diesem Zeitpunkt sei ihr endgültig klar gewesen, dass sie dort nicht bleiben könne. Sie sei dann noch bis April 1996 dort beschäftigt gewesen. Danach sei sie arbeitslos gewesen. Sie habe sich von einer Heilpraktikertätigkeit eine selbstständige Erwerbsquelle erhofft und etwa 1995 intensiv mit der Ausbildung begonnen. Nach anfänglichen höheren Investitionen zeichne sich nun ab, dass sie sich eine Praxis aufbauen könne mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienen könne.
Sie habe ein , Sprechzimmer und zwei Behandlungszimmer eingerichtet. Sie mache auch Hausbesuche. Von ihren Patienten wisse sie, dass ihre Behandlungen von privaten Krankenkassen und von der Beihilfe anerkannt werden. Sie habe in Einkünfterzielungsabsicht gehandelt; die Aufwendungen seien zur Erwerbung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit getätigt worden. Die Kläger verweisen auf die Hinweise in den Einkommensteuerbescheiden, wo in den Erläuterungen als besonders wichtig darauf hingewiesen sei, dass der Bescheid vorläufig hinsichtlich der Ausbildungskosten ergehe, da abzuwarten bleibe, ob der angestrebte Beruf auch ausgeübt wird.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die

kommensteuerbescheide 1995 vom 09.10.1997 und 1996 vom 16.10.1997 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24.04.1998 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus selbstständiger Arbeit unter Anrechnung der berücksichtigten Ausbildungskosten Auf- wendungen in Höhe von 9.804,00 DM für 1995 und von 17.915,00 DM für 1996 als vorweggenommene Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung, hilfsweise Zulassung der Revision.


führt aus: Die Tatsache, dass die Klägerin bereits eine komplette Ausbildung gehabt hat und sich auf Grund ihrer negativen beruflichen Aussichten habe neu orientieren müssen, ändere nichts daran, dass es sich hier um Berufsausbildungskosten im Sinne des § 10 Abs 1 Nr 7 EStG handele. Das gelte auch für einen neuen Beruf Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung seien Werbungskosten nach § 9 Abs 1 Satz 1 EStG Davon zu unterscheiden seien die Berufsausbildungskosten, die dann vorliegen, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind. Diese Kosten erwüchsen nahezu jedem Steuerpflichtigen und gehörten nach ständiger Rechtsprechung zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Dazu gehörten auch die Aufwendun- gen zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln. Diese Berufsausbildungskosten seien nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur bis zu den genannten Höchstbeträgen als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig. Die gleiche Unterscheidung gelte auch für vorweggenommene Werbungskosten/Betriebsausgaben. Nur bei Fort- oder Weiterbildungskosten könnten vorab entstandene Werbungskosten vorliegen.

Erörterungstermin am 01.03.2001 reichte die Klägerin einen Prospekt ihrer Praxis (Praxis für Naturheilverfahren...) zu den Akten, in dem ihre Tätigkeiten und Behandlungen aufgeführt sind. Auf den Prospekt wird Bezug genommen.


Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist begründet. Die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen der Klägerin für den Erwerb ihrer Qualifikation als Heilpraktikerin sind unter Anrechnung der anerkannten Sonderausgaben als vorweg entstandene Betriebsausgaben bei ihren Ein künften aus selbstständiger Arbeit als Heilpraktikerin abzugsfähig.

Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Welche Voraussetzungen im einzelnen erfüllt sein müssen, damit Aufwendungen durch den Betrieb veranlaßt und daher Betriebsausgaben sind, wird in § 4 Abs. 4 EStG nicht festgelegt. "Veranlassung" kann sowohl als Verursachung (kausal) wie auch als Zweckbestimmung (final), d.h. objektiv oder subjektiv verstanden werden Der Begriff ist entsprechend den Werbungskosten des § 9 Abs. 1 EStG ein- heitlich auszulegen (Nachweise zur Rechtsprechung bei Schmidt / Heinicke, EStG, § 4 Rz 30). Die Grenzen betrieblicher Veranlassung liegen dort, wo ein sachlicher Zusammenhang mit dem Betrieb nicht begründet werden kann und die private Lebensfüt rung (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) betroffen ist.

Es ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass Werbungskc sten/Betriebsausgaben bereits anfallen können, bevor im Rahmen einer Einkunftsa Einnahmen erzielt werden (BFH-Urteile vom 03. November 1961 VI 196/60 U, BFH 74, 319, BStBIIII 1962, 123; vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 21E BStBI II 1984, 307; vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBI II 198~ 992). Die Aufwendungen können sogar dann abziehbar sein, wenn es entgegen de Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu den Einnahmen kommt, sofern nur eine ei kennbare Beziehung zu den Einkünften besteht (BFH-Urteile in BFHE 74, 319, BStBII 1962, 123; BFHE 140, 216, BStBI II 1984, 307 m.w.N.). Voraussetzung ist, dass zw schen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart eine klar erkennbare BE ziehung besteht und nicht irgendeine nur unsichere Einkommensquelle angestrebt wird. An den Nachweis des Zusammenhangs sind strenge Anforderungen zu sterlen wenn die Pläne später nicht verwirklicht werden.

Hier hatte die Klägerin nicht nur den festen Entschluss, zur Erzielung von Einkünfte die Heilpraktikertätigkeit aufzunehmen, sie hat sich zielstrebig auf diese Tätigkeit vorbereitet, hat sie nach Abschluss der erforderlichen Prüfung aufgenommen und erzielt nunmehr daraus Einkünfte, die sich nach Einrichtung ihrer Praxis und einer Anlaufphase allmählich positiventwickeln und ihrem Lebensunterhalt dienen sollen und können. Entgegen der Auffassung des Finanzamts handelt es sich hier nicht um Kosten der Lebensführung in Form von Ausbildungskosten, die nur als Sonderausgaben im Rahme des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abzugsfähig sind, sondern um vorweggenommene Betriel sausgaben.

Der Senat folgt nicht der bisher überwiegend vertretenen üblichen Unterscheidun wonach Ausbildungskosten alle Aufwendungen sind, die für einen künftigen erstma gen oder neuen Beruf jedem Steuerpflichtigen erwachsen, und die daher nicht a Werbungskosten, sondern nur im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abzugsfäh sein sollen. Diese Abgrenzung kann in Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit nicht mehr undifferenziert aufrechterhalten werden. Insoweit wird auf die Kritik an der Rechtspr chuna des BFH, wie sie insbesondere von Drenseck formuliert worden ist (Schmidt/Drenseck, EStG, $19 Rz. 60 d; Drenseck StuW 1999, 3) Bezug genommen.

Aufwendungen, die die Einkunftserzielung vorbereiten, sind rechtsdogmatisch vorab entstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Die Zuordnung zur freiwilligen Lebensgestaltung i. S. des § 12 EStG überzeugt dann nicht mehr, wenn auf Grund der Arbeitsmarktsituation Steuerpflichtige nach Jahren der Berufstätigkeit vor der Notwendigkeit stehen, umzulernen, und sich für eine völlig anders geartete Berufstätigkeit als bisher selbst ausbilden oder umschulen zu lassen. Diese Steuerpflichtigen haben durch eine Berufsausbildung bereits eine als dauernd gewollte Berufsgrundlage geschaffen und diese langjährig zur Einkunftserzielung genutzt. Wenn sie nach Jahren der Berufsausübung durch den Arbeitsmarkt veranlasst werden, eine neue Berufsgrundlage zu schaffen, ist es nicht gerechtfertigt, diese Entscheidung dem Bereich der Lebensführung und als weitere Berufsausbildung dem Sonderausgabenbereich zuzuordnen. Nach Drenseck handelt es sich um eine einkunftsrelevante Entscheidung. Aufwendungen, die für eine solche weitere Berufsausbildung anfallen, sind daher als Werbungskosten/Betriebsausgaben abziehbar (Schmid/Drenseck a.a.O.).

Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch das Urteil des BFH vom 18.04.1996 VI R 5/95 (BStBI II 1996, 482). Dort weist der BFH darauf hin, dass ein Vorrang des Werbungskostenabzugs vor dem Abzug als Sonderausgaben bestehe. Denn nur dann, wenn die betreffenden Aufwendungen weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben seien, komme eine Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG als Sonderausgaben in Betracht. Der BFH bezieht sich dabei auf die Entstehungsgeschichte des § 10 Abs.1 Nr. 7 EStG. Es habe nicht ein bis dahin möglicher Werbungskostenabzug eingeschränkt und eine Umqualifizierung in nur beschränkt abziehbare Sonderausgaben stattfinden sollen; vielmehr sollten rechtsbegründend zusätzlich solche Aufwendungen zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen werden, die sonst überhaupt nicht hätten abgezogen werden können. Die Vorschrift sei z. B. bedeutsam für solche Weiterbil- dungsmaßnahmen von Steuerpflichtigen, die sich in ihrem erlernten Beruf auf dem Laufenden halten wollen, ohne - zum Beispiel wegen der Betreuung von Kindern - dem Arbeitsmarkt unmittelbar nach Abschluss der Bildungsmaßnahme zur Verfügung stehen zu können Verfolgt man diesen Gedanken wetter, so ist klar, dass in dem vom BFH-genannten Fall eine Beurteilung als vorweggenommene Werbungskosten oder vorweggenommene Betriebsausgaben deshalb versagt, weil der unmittelbare Zusammenhang zwischen Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart und die klar erkennbare Beziehung zu einer bestimmten Erwerbstätigkeit fehlen. Es ist offen, ob dieser Personenkreis die Erwerbstätigkeit je wieder aufnehmen wird. Diese Lücke füllt § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG aus.

Entgegen der gesetzgeberischen Absicht, für diesen Personenkreis die Abzugsmöglichkeit zu erweitern, wird - wie auch vom Finanzamt im vorliegenden Fall - weitgehend umgekehrt argumentiert, weil es Ausbildungskosten seien, handele es sich nicht um (vorweggenommene) Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Dies wird zum Beispiel deutlich im Urteil des BFH vom 18. April 1996 (VI R 22195, BFHINV 1996, 879), wenn es dort heißt: "...Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die nicht als Berufsausbildung (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 1. Al- ternative EStG) zu beurteilen sind, (erg. sind) dann mit den angestrebten Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in einem hinreichend klaren wirtschaftlichen Zusam- menhang und als vorab entstandene Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG und nicht etwa nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben im Sinne des § 1 C Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 2. Alternative EStG zu berücksichtigen, wenn feststeht ...."

Ebenso SFH-Urteil vom 13. Juni 1976 (VI R 89195, BFHINV 1997, 98): "Die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die nicht als Berufs ausbildung (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 1. Alternative EStG) zu beurteilen sind, (erg stehen) dann mit den angestrebten Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in ei nem hinreichend klaren Zusammenhang und (erg. sind) als vorab entstandene Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG und nicht etwa nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben zu berücksichtigen, wenn feststeht. ..." Diese Argumentation steht nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut; denn es heir dort, "Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Setriet sausgaben noch Werbungskosten sind" (§ 10 Abs.1 Satz 1 EStG). Gesetzestechnisc ist die Anwendung des § 10 Abs 1 EStG also subsidiär Nur wen es sich nicht um BE triebsausgaben oder Werbungskosten handelt, kommt ggf. die Abszugsfähigkeit a Sonderausgaben in Betracht.

Die typisierende Betrachtung und die Beschränkung des Blickwinkels auf Ausbildung anstatt zunächst vom Werbungskostenbegriff auszugehen, kritisieren auch Schml (FR 1997, 762, 763) und Gast de Haan (Festschrift für Schmidt S 105' 112 f ) Letzte definiert unter Übernahme der Beqriffe aus dem Sozialrecht Ausbildung einschränkend als die erstmalige Vermittlung von Berufswissen bei bisher völligem Fehlen eines solchen Wissens. Zur Weiterbildung gehören danach auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um vorhandene Kenntnisse der Entwicklung der Verhältnisse anzupassen, selbst wenn nach der Weiterbildung (Umschulung) eine Tätigkeit ausgeübt wird, die einem neuen Berufsbild entspricht. Umschulung ist nach Gast de Haan (deren Abgrenzung sich Drenseck anschließt, vgl. insbes. StuW 1999,9) nicht Aus-, sondern Weiterbildung, weil die Ausbildung bereits abgeschlossen ist. Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen dienen der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, sie sind den von Drenseck sog. Erwerbsaufwendungen zuzurechnen. Dem ist uneingeschränkt. zuzustimmen.

Die sehr kasuistische Rechtsprechung des BFH wird der fortschreitenden Veränderung im Berufsleben und auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gerecht; sie berücksichtigt nicht das Verschwinden berufstypischer Bilder. Es kann heutzutage nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der einmal erlernte Beruf lebenslang ausgeübt wird und auf Grund der Situation auf dem Arbeitsmarkt auch ausgeübt werden kann.

Es ist daher nur festzustellen, ob die erstrebte Tätigkeit einkunftsrelevant ist; d.h. es ist eine Abgrenzung vorzunehmen zur Liebhaberei und zur Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG). Für den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bleibt subsidiär als Berufsausbildung die erstmalige Ausbildung übrig. Alle diejenigen, die aus Gründen der Arbeitslosigkeit und aus arbeitsmarktpolitischen Gründen Umschulung betreiben oder andere berufsqualifizierende Maßnahmen ergreifen, fallen nicht von vornherein in den Anwendungsbereich des § 10 Abs.1 Nr. 7 EStG, sondern es ist zunächst zu prüfen, ob vorab entstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben vorliegen.

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung bestätigt durch die in die gleiche Richtung tendierende Rechtsprechung einiger Finanzgerichte. So weist das FG Neustadt in seinem Urteil vom 08 April 1997 (2 K 1322/96) darauf hin, dass bei der Abgrenzung der Fortbildungskosten zu den Ausbildungskosten den heutigen Anforderungen im Wirtschaftsleben an die Anpassung der beruflichen Kenntnisse Rechnung getragen werden müsse, die häufig ein breit gefächertes Wissensspektrum erwarten. Daraus folge eine einengende Auslegung des Begriffs Ausbildung.

Im Urteil des Niedersächsischen FG vom 25. März 1998 IV 664/94 (EFG 1999, 19, 20) heißt es:
"Berufsanpassungsprobleme sind für die Mehrheit der Bürger und besonders für die derzeit etwa vier Millionen arbeitslosen Bürger alltäglich geworden". Nur wenige haben noch die Möglichkeit, in dem einmal erlernten Beruf ein Leben lang tätig sein zu können. Wer sich in der heutigen Zeit den Herausforderungen des Arbeitsmarkts stellt und bereit ist, einen neuen Beruf zu erlernen, weil er in dem früheren dauerhaft arbeits- los geworden ist, oder wer seine Chancen am Arbeitsmarkt durch ein Studium oder eine andere umfangreiche Bildungsmaßnahme nachhaltig verbessern will, der trifft eine berufsbezogene und damit einkunftsrelevante Entscheidung; er tätigt Aufwendungen, die der Erwerbung, der Erhaltung oder der Steigerung von Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit dienen. Solche Aufwendungen sind Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG.

Im Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20. Januar 1998 (6 K 3699/95 E, EFG 1998, 808) wird, anknüpfend an die Ausführungen von Drenseck und Gast de Haan, im An- schluss an die sozialrechtlichen -Vorschriften nur die erste zu einem beruflichen Abschluss führende Bildungsmaßnahme als Ausbildung beurteilt. Alle späteren Schritte der Berufsbildung seien begrifflich stets Fortbildung oder Umschulung. Allerdings rückt das FG Münster von einer konsequenten Anwendung dieses Grundsatzes dann doch etwas ab, als es im dort entschiedenen Fall eine Verknüpfung zwischen der früheren Tätigkeit der Klägerin als Lehrerin mit einer freiberuflichen Tätigkeit als Supervisorin herstellt.

Das FG des Landes Brandenburg hat mit Urteil vom 23. November 1999 (3 K 1011/98 E, EFG 2000, 424) im Fall einer im Schichtdienst tätigen Verkäuferin, die bei dem Versuch, den bisherigen Beruf in Normalschicht auszuführen, gekündigt wurde und als Umschulungsmaßnahme ein Praktikum zur Arzthelferin absolvierte, die Umschulungskosten als Werbungskosten berücksichtigt, weil sie auf Grund von Arbeitslosigkeit zur Ausübung eines neuen (2.) Berufes bestimmt waren. Allerdings hat das FG Branden- burg eine (weit hergeholte) sachliche Nähe zu den Weiterbildungskosten im ausgeüb1en Beruf hergestellt.

Das Urteil des FG Düsseldorf vom 17. März 1998 (9 K 525/95, EFG 1998, 939)wider- spricht dem hier vorgeschlagenen Ergebnis nicht, weil dort ein anderer Sachverhalt gegeben war Die Aufwendungen einer Krankenschwester für die Ausbildung zur Heilpraktikerin wurden in dieser Entscheidung nicht als abzugsfähige Werbungskosten (Fortbildungskosten) anerkannt, sondern nur als Berufsausbildungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt. Im Unterschied zum Streitfall sind dort keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die dortige Klägerin zur Einkünfteerzielung auf den Berufswechsel angewiesen war. Demgegenüber ist im Streitfall nachgewiesen, dass dies für die Klägerin die einzige Möglichkeit gewesen ist, sich selbstständig zu machen und Einkünfte zu erzielen.

Die geltend gemachten nach Grund und Höhe unstreitigen Aufwendungen sind daher unter Anrechnung aes vom Finanzamt gewährten Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen. Die Einkommensteuer für die Streitjahre errechnet sich wie folgt:

urteil-gebuehren
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Abwendungsbefugnis des Beklagten beruhen auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. rn. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

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